Von der Kunst, zufrieden zu leben
Ayurveda im mitteleuropäischen 2024
Warum Ayurveda für kein Wesen auf dieser Erde etwas «Fremdes», «Unbekanntes» sein kann, und auch nicht «indisch» sein muss, warum er uns Menschen tiefwirksam darin unterstützt, unser verkörpertes Leben hier auf Erden in einer zufriedenen Weise zu meistern, davon handelt dieser Beitrag.
Wenn Menschen sich nicht für «Ayurveda» interessieren, begründen sie oft in diese Richtung: «Das ist mir zu weit entfernt», «ich habe keine Lust, etwas Neues zu lernen», «ich bin mehr westlich orientiert» oder «ich möchte nicht indisch essen».
Aber: Wenn du frierst und dir einen Pulli anziehst, ist das Ayurveda. Wenn du Durst hast und ein Glas Wasser trinkst, ist das Ayurveda. Wenn deine Wäsche im Wind trocknet, ist das Ayurveda. Wenn du deine Nerven mit einer Tasse Baldriantee beruhigst, oder in den Wald die Bäume spüren gehst, ist das Ayurveda. Wenn du deinen überhitzten Kopf im Sommer in den kühlen See tauchst, ist das Ayurveda. Ebenso, wenn du dich an einem nass-kalten Tag nach einer Sauna sehnst. Oder dir deine rissigen Lippen mit Pomade einstreichst. Oder du gefühlt einen Stein im Magen hast und auf eine weitere Portion verzichtest. Verzichtest du nicht und merkst, du fühlst dich noch schlechter und möchtest forschen, warum du so etwas tust, beginnt auch hier Ayurveda. Wenn dir der Magen brennt, und du verstehst, dass du jetzt keinen Kaffee, Rotwein und kein Chili con Carne verträgst, ist es Ayurveda. Noch mehr Ayurveda ist es, wenn du auch verstehst, dass weder Kaffee noch Wein oder Fleisch grundsätzlich «schlecht» sind, genauso wenig, wie sie grundsätzlich «gut» sind. Und wenn deine depressiven Gedanken sich auflösen, während du frühmorgens in der sommerlichen Wildblumenwiese stehst und dich tief vom Leben atmen lässt, ist auch dies Ayurveda.
Diese Dinge musst du dir nicht überlegen, die spürst-weisst du - umso besser, je mehr du verbunden bist. Und genau hier beginnt Ayurveda. Ayurveda ist nichts Neues und nichts Abgetrenntes oder Anderes. Das Gefühl von «fremd» entsteht, wenn wir uns selbst entfremdet haben. Ayurveda ist die Weisheit des Lebens an sich und hat einen sehr pragmatisch-logischen Anteil. Auf dieser Ebene geht es darum zu verstehen, wie man mit entgegengesetzten Eigenschaften ein Ungleichgewicht wieder balanciert. Und dann zu handeln – oder gerade nicht. Dabei bedarf es keiner konzeptionell-intellektuellen Herangehensweise, im Gegenteil. Meist steht genau dies der direkten Wahrnehmung einer akuten Gegebenheit im Wege.
Zu einem grossen Teil wirkt Ayurveda zuerst im Bereich der Materie, des Körpers, der Natur. So seltsam es klingt: Je mehr wir realisieren, dass wir – auch – Körper sind, umso tiefer kann das Verständnis greifen, sich eben verkörpern in der Einheit, die wir sind. Es verwundert insofern nicht, dass die Ursprünge der Heillehre in einer Zeit liegen, in der die Menschen noch sehr verbunden mit der Biologie und den natürlichen Rhythmen waren.
Ein Beispiel dazu: Ich bin krank und mein Körper signalisiert glasklar: «Hühnersuppe!», weil die Oma es schon wusste und die Heilwirkung tief in meinen Zellen gespeichert ist. Aber eine andere Stimme in meinem Kopf mahnt: «Fleisch essen ist schlecht». Hier wird die natürliche Körperintelligenz von einem ideologischen Konzept unterdrückt bzw. gerät in Konflikt. Und dann? Es bedeutet ja nicht, die Hühnersuppe wirklich essen zu sollen oder müssen. Wir haben einen freien Willen, und verschiedenste Werte begründen unsere Entscheidungen. Es geht schlicht darum, den Kampf der Massregelung zu erkennen, den wir tagtäglich gegen uns selbst führen. Und den wir aufgeben dürfen. Müssen war gestern! (So nannte meine Lebenslehrerin Anouk Claes eines ihrer Bücher.)
Ayurveda begreift (wie Yoga) den Menschen als Einheit, als verkörpertes Bewusstsein, als ganz. Darum wirken beide «Methoden» oder Lebensweisen auf unser ganzes Sein. Durch die Jahrtausende hindurch haben die grossen Weisen, Forscher, Frauen und Männer, Ärztefamilien, Gelehrte, Praktiker, Naturverbundene ... mit ihren Beobachtungen und Erfahrungen unglaublich viel Vorarbeit für uns geleistet. Und dieser Wissensschatz liegt ganz einfach da vor unserer Nase! Wir können uns einfach daran anschliessen wie an einen Verstärker, wie ans Internet! Und uns erinnern!
Ayurveda «funktioniert» zeitlos im Jetzt und verlangt, blind übernommene Glaubensstrukturen und starre, verkrustete Ansichten, wann immer sie auftauchen, anzuerkennen, zu hinterfragen, auf ihre aktuelle Gültigkeit zu überprüfen, zu relativieren, über den Tellerrand zu schauen. Yoga beschreibt diesen Vorgang als unterscheidende Erkenntnis (viveka) zwischen dem was scheint und dem was wahr, also tatsächlich ist. Manchmal können oder wollen wir vor lauter Einfluss und Ablenkung die deutlichen und realen Signale des Körpers einfach nicht mehr sehen, hören und fühlen! Wir erlauben natürlichen Impulsen nicht einmal aufzusteigen, und vergessen vor lauter Meinen, wer und wie wir sein sollten, wer wir sind!
Und manchmal ignorieren wir, dass das Leben veränderlich – eben lebendig ist. Präsenz, die direkte Erfahrung des Moments, ermöglicht mir einen smarten und wohltuenden Umgang mit dem LEBEN, das ich BIN. Was brauche ich JETZT für mein Gleichgewicht, was tut mir JETZT gut? Nicht gestern, vor zwei Stunden, nicht morgen, in fünf Minuten und auch nicht jemand anderem! Ein smarter und wohlwollender Umgang mit der Umgebung ist «nur» eine natürliche Konsequenz aus einer solchen Verbundenheit. Es geht eben so weit, dass wir begreifen, dass es tatsächlich keine Trennung gibt.
Vielleicht ging aus diesem (oder bereits aus meinen früheren) Text(en)meine persönliche Vorliebe hervor Synthesen herzustellen, Wissensgebiete zu verbinden, scheinbare Widersprüche zu versöhnen, die Vorstellung von Trennung aufzuheben.
©Therese im September 2024
Meine nächsten Ayurveda Seminare:
- 21.-23. März & 4.-6. April 2025, Lotos Yoga Basel
Ayurveda - Ernährung & Leben in Balance - mit Bezug zur europäischen Heilpflanzenkunde
Hier werden wir, unterstützt von einer westlichen Phytotherapeutin, auch die westliche Pflanzenheilkunde in Bezug zu Ayurveda setzen. Denn meine Erfahrung in Ayurveda Workshops war meist das Interesse der Teilnehmer, den Zugang zu den ayurvedischen Prinzipien inmitten unserer mitteleuropäischen Umgebung zu finden. Was könnte naheliegender sein! - 15./16. November 2025, Tara Yoga Basel
Ayurveda - Ernährung & Psyche / Vertiefung der Grundlagen